Strompreise gehen durch die Decke

In der Schweiz haben die Stromkunden Glück. Die Preise steigen hierzulande nur sehr moderat. Vor wenigen Tagen hat die Elektrizitätskommission (Elcom) bekannt gegeben, dass der Strom 2022 um durchschnittlich drei Prozent teurer wird. Als Grund für die Erhöhung nennt die Elcom, dass die Preise am Termin- und Spotmarkt seit dem zweiten Quartal dieses Jahres stark gestiegen seien, was wiederum auf deutliche Verteuerungen von Gas, Kohle und CO₂ zurückzuführen sei.

 

Der typische Schweizer Haushalt muss nächstes Jahr nun 21,2 Rappen (20.2 Cent) pro Kilowattstunde Strom bezahlen, 0,7 Rappen mehr als jetzt. Das ist wenig im Vergleich zu dem, was Elektrizität in Deutschland kostet. Hier kommt die Kilowattstunde (für einen Haushalt mit 4000 Kilowattstunden Jahresverbrauch) heute schon auf über 30 Cents zu stehen – so viel wie sonst nirgends in Europa.

 

Teure Ökostrom-Umlage in Deutschland

Die Preissteigerungen in den letzten Jahren waren enorm. Musste ein deutscher Privathaushalt 2004 jährlich noch insgesamt 712 Euro für die Stromrechnung aufbringen, sind es dieses Jahr bereits 1180 Euro. Teuer zu stehen kommen insbesondere die laufend steigenden Zuschläge und Abgaben, insbesondere die Ökostrom-Umlage mit 6,5 Cent pro Kilowattstunde.

 

Das neue Klimaziel und die damit verbundene Dekarbonisierung dürfte die Nachfrage nach Strom in Deutschland kräftig anheizen.

 

Den Deutschen drohen weitere kräftige Preissteigerungen – und das nicht nur, weil Gas und Kohle teurer geworden sind: Zum einen trug die Windenergie aus meteorologischen Gründen im ersten Halbjahr 2021 unterdurchschnittlich zur Stromversorgung bei, und auch jetzt im September herrscht wieder Flaute. Zum anderen dürften das eben verschärfte deutsche Klimaziel (65 Prozent weniger CO₂-Ausstoss bis 2030) und die damit verbundene Dekarbonisierung die Nachfrage nach Strom in den nächsten Jahren kräftig anheizen. Die Bundesregierung sieht sich zu Massnahmen gezwungen: Sie will die Ökostrom-Umlage abschaffen und die Subventionen für erneuerbare Energie künftig aus dem Staatshaushalt finanzieren (siehe hier).

Milliardenbetrag aus Staatskasse bremst Stromverteuerung

 

Nebst Deutschland hatten letztes Jahr Dänemark mit 29,9 Cents pro Kilowattstunde und Belgien mit 28,3 Cents die höchsten Strompreise Europas. Hingegen bezahlte man in Ungarn und Bulgarien nur rund 10 oder 11 Cents. Im Schnitt kam die Kilowattstunde Strom in Europa letztes Jahr auf 21,5 Cents zu stehen.

 

Gar zu Notmassnahmen sah sich die spanische Regierung gezwungen. Auch hier sind die Strompreise auf einen Rekordstand geklettert. Seit Anfang Jahr beträgt die Preissteigerung für Endverbraucher satte 35 Prozent. Die Regierung hat nun dringlich verfügt, dass die Gewinne der Betreiber von Atom- und Wasserkraftwerken herabgesetzt werden.

Feuer sorgt für zusätzliche Preisschübe in Grossbritannien

Auch Grossbritannien verzeichnet Rekordpreise für Strom. Ein Brand in einem Stromverteilzentrum in diesem September hat die Preise noch zusätzlich angeheizt. Denn das Feuer hat den weiteren Betrieb einer Untersee-Stromleitung nach Frankreich vorläufig verunmöglicht, wodurch in den nächsten Monaten Stromimporte vom europäischen Kontinent eingeschränkt sind. Die teuren Rechnungen kommen zu einem Zeitpunkt, da Grossbritannien gleich wie die EU die Dekarbonisierung der Energienetze vorantreiben will. Verteuerungen könnten zu Protesten gegen die Klimapolitik führen.

 

Ganz allgemein hat man in den europäischen Staaten Angst vor dem Zorn des Volkes. Nachdem der Protest der sogenannten Gelbwesten in Frankreich Präsident Emmanuel Macron vor zwei Jahren gezwungen hat, Preiserhöhungen beim Benzin zurücknehmen, fürchten sich die Regierungen, dass die forcierte Klimapolitik Demonstrationen und Ausschreitungen hervorruft. Denn die angestrebte Dekarbonisierung sowie die hohen CO₂-Preise zählen zu den wichtigsten Preistreibern beim Strom.

Putins Russland begrenzt die Gaslieferungen nach Europa

Daneben ist die aktuelle Gaskrise die zentrale Sorge, was die Preisentwicklung bei Elektrizität angeht. Etwa ein Fünftel des europäischen Stroms stammt aus Gaskraftwerken. Russland, einer der wichtigsten Lieferanten nach Europa, hat aber den Transit durch die Ukraine verknappt, um die neue Gasleitung Nord Stream 2 zu forcieren. Sowieso beliefert das Reich Putins derzeit lieber Kunden in Asien mit Gas. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Flüssiggas-Lieferungen – etwa aus Katar oder den USA – nach Asien statt Europa gehen.

 

Der Mehrbedarf an Elektrizität in den Bereichen Verkehr und Wohnen, wo man von fossilen Energieträgern wegkommen will, wirkt preistreibend.

 

Die hohen Strompreise in Europa könnten ein Vorgeschmack sein auf das, was mit der Umsetzung der Klimapolitik droht. Denn die Preise für CO₂ dürften in den nächsten Jahren wie erwähnt weiter steigen. Der Mehrbedarf an Elektrizität in den Bereichen Verkehr und Wohnen, wo man von fossilen Energieträgern wegkommen will, wirkt ebenfalls preistreibend. Weiter ist zu erwarten, dass der Kontinent vermehrt auf die Stromproduktion mit Gas umsatteln muss und sich damit von einem Energierohstoff abhängig macht, der laufend teurer wird.

 

Gasstrom statt Atomstrom

Deutschland etwa wird nach dem angepeilten Atom- und Kohleausstieg auf Gas angewiesen sein, wenn es eine sichere Stromversorgung garantieren will. Und auch in der Schweiz läuft alles auf den Bau von Gaskraftwerken hinaus, um die drohende Stromlücke im Winter füllen zu können. So hat die EU-kritische Gruppierung Kompass/Europa jüngst den Bau von sechs Gaskraftwerken vorgeschlagen, die schon in 6 bis 7 Jahren in Betrieb gehen sollen (siehe hier). Allein die Finanzierung dieser Kraftwerke würden den Strompreis um vier Prozent verteuern. In der Schweiz könnte es bald vorbei sein mit massvollen Preissteigerungen bei Elektrizität. 

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